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Höchst Empfindlich!
Auch wenn das inzwischen vergriffene und unter Musikliebhabern zur Legende gereifte Buch “Höchst Empfindlich” von Dr. Götz Wilimzig und Rüdy Gysemberg schon im Jahr 2002 erschienen ist, hat es über die Jahre meiner Meinung nach absolut nichts an seiner Bedeutung und auch an Brisanz für die hochwertige Musikwiedergabe und deren Betrachtungsweise verloren. Schon der Eingangshinweis zum Buch spricht Bände: “Höchst Empfindlich”: Das Buch über Röhren, Radiolautsprecher und Retro-HiFi. Und über Musik. Warnung: Dieses Buch enthält unzensiertes Material, das den Glauben an die Hifi-Industrie und ihre Hofberichterstattung verletzen könnte. Zufriedene Anlagenbesitzer sollten nicht weiter lesen und sich an den lokalen Dealer ihres Vertrauens wenden. Wer weiterblättert erklärt, dass er volljährig ist und schon vorher selbständig denken und löten konnte. Die Autoren haften nicht für Folgeschäden, insbesondere nicht solche an der heimischen Anlage oder beim häuslichen Frieden, auch nicht bei sonstigen Nebenwirkungen. Nach Rücksprache mit Dr. Götz Wilimzig hat dieser mir erlaubt, einen Artikel des Buches, welcher sich mit historischen Breitbandchassis beschäftigt und der sich auch schon auf der Homepage von Jogis Röhrenbude befindet, hier online zu stellen. Über die ganzen Jahre hat mich die Betrachtungsweise dieses Buches zum Thema Musikwiedergabe inspiriert und mir obendrein noch die in meinen Augen und Ohren ultimative Schaltung für eine Röhrenendstufe beschert, die Dr. Wilimzig vor vielen Jahren für mich entwickelt hat (siehe z.B. PL 82 Concerto Grosso). Natürlich ist diese Endstufe nur zum Gebrauch mit “höchst empfindlichen” Chassis vorgesehen, um die es im nun folgenden Artikel geht. . Die Rechte für den Artikel liegen ausschließlich bei Dr. Götz Wilimzig! ___________________________________________________________________________________________________
Kapitel 9 : Das Beste sind Originale 9.1 Historisch – und das ist gut so Der ideale Lautsprecher vereint mindestens die folgenden Eigenschaften auf sich. Er strahlt den Schall direkt ab, arbeitet ohne Frequenzweiche, die viel zu viele Fehler macht, benutzt also Breitbandchassis, wandelt möglichst viel der reingesteckten elektrischen Energie in Klang um, ist also höchstempfindlich, und leicht anzutreiben, sprich, benötigt seitens der Endstufe keine irrwitzigen Dämpfungsfaktoren, ist überdies noch entsprechend klein, um sich in ein vierzig bis fünfzig Liter großes Gehäuse einbauen zu lassen, schließlich soll er ja wohnraumtauglich sein, und dann sind da noch ein paar nachgeordnete, leider aber nicht unwichtige Forderungen ..... kurzum, die Suche nach dem heiligen Gral ist auch nicht komplizierter. Und er wird heute nirgendwo mehr produziert - wers nicht glaubt, wird im Handel abgestraft. Aber er wurde mal gebaut. Vor allem in alten Radios, die damals das Monatseinkommen eines Durchschnittsverdieners kosteten, wenn sie zur besseren Sorte gehörten. Da waren die Chassis freilich in Radiogehäuse eingesperrt, die akustisch nicht das Gelbe vom Ei waren, aber teilweise toll aussahen. Es gab jedoch auch separate Schallwandler, wie der Blick in alte Funkschau-Hefte zeigt. Wer Röhre will, wer Magie will, kommt daran nicht vorbei. Warum das so ist, und dass wir nicht die ersten sind, die das entdecken, davon wird später die Rede sein. 9.2 Die Magie der höchstempfindlichen Schallwandler Hohe Empfindlichkeit heute - das ist ein Synonym für Lowther. Ein höchstempfindliches Chassis für alle Frequenzen – es gibt niemanden in der gesamten Branche, der diese Fahne so geschwenkt hätte wie Lowther. Und deswegen verdient sich diese weltbekannte Chassis hier die erste Erwähnung. Dabei sind diese englischen Chassis nicht besonders empfindlich, wie Frequenzschriebe von L’Audiophile (No.26; Dez.1982) und der Münsteraner Lautsprecherbibel (Michael Gaedtke; Das Lautsprecherjahrbuch 1987) belegen, denn im Bereich unterhalb von 1 Khz lassen Sie einen ausreichenden Wirkungsgrad schmerzlich vermissen. Das war früher einmal anders, worauf L’Audiophile hinweist. Und deswegen sind sehr frühe Lowther-Chassis – wenn sie denn noch laufen! - so außerordentlich gesucht und begehrt. Dieter Kirchhoff, deutscher Lowther-Spezialist und ein um Seriosität aüßerst bemühter Mann, spricht nicht generell von Empfindlichkeit, sondern davon, dass sich in Hornkonstruktionen Empfindlichkeit einstellt. Kein Wunder. In einem Horn sind die meisten Schallwandler "hochempfindlich", wie uns Bruce Edgar mit einem stinknormalen Dynaudio-Chassis lang und breit demonstriert hat. Aufgrund seines drastischen Schalldruckabfalles im Grundton und im Baß suchen Besitzer dieses Chassis nach dem Horn, das genau die Schwächen des Lowther korrigiert. Lowther-Gläubige werden nicht müde, einem freudestrahlend zu berichten, nun endlich hätten sie ein besseres gefunden. Die Zahl der angeblichen Lösungen wächst und wächst. Leider folgen Hörner akustischen Gesetzmäßigkeiten, die nicht vom Chassis abhängen. Und so passen die Lowther-Schwächen und die Hörner auf ewig nicht zusammen.. Was soll der Triodenfreak, erst recht derjenige, der aus klanglichen Gründen Röhren kleiner Leistung bevorzugt, also tun? 9.3 Irr- und Auswege Wir können die Idee des Breitbänders fallenlassen. Dann landen wir etwa bei Focal-Chassis mit Polyglass- Papiermembran und zwangsweise bei Zwei- oder Dreiwege-Konzeptionen mit allen sattsam bekannten Nachteilen. Das ist nicht jedermanns Sache. Immerhin ist dabei der Bereich der Mitten halbwegs heile geblieben. Oder wir folgen der Spaltungstheorie, hacken das Ei respektive den Frequenzbereich mittendurch und hoffen, dass das dann gut geht. Dann landen wir bei dicken Profibässen (38 cm) mit Hochtonhorn Marke Voice of the Theatre und den vielen artgleichen Konstruktionen. Auch das ist nicht jedermanns Leidenschaft. Oder wir weichen auf die Vollbereichshörner aus, womit wir bei Bruce Edgar wären, der die bei weitem angenehmsten Vertreter dieser Spezies propagiert. Konzeptionsbedingt sind sie nur in Zwei- bis Vierwegetechnik zu haben; je weniger Wege, desto teurer. Nur ist dies nicht jedermanns Weg. Wir könnten aber auch in die Fußstapfen eines berühmten Lautsprecherkonstrukteurs treten, der nicht müde wurde zu betonen: "the midrange is where we live". Diese vielmißachtete Weisheit von Paul Klipsch wird konstruktiv und klanglich nur dann realisiert, wenn die Mitten nicht oben und unten abgeschnitten werden, wenn keine Weiche an den Bereichsenden Phasendrehungen verursacht, wenn keine anderen Chassis - zwar durch die Frequenzweiche gedämpft, aber dennoch - in die Mitten hineinspielen. Womit wir beim Breitbänder wären. Er hat über die Jahre hinweg fasziniert, hat Leidenschaften geweckt wie kaum ein anderes Prinzip, er steht für Musikwiedergabe pur. Ganz nebenbei hält er dem Druck des Kommerziellen stand; den Quad ESL63 - ein echter Vollbereichs-Breitbänder - gibt es seit über dreissig Jahren: das ist Branchenrekord. Ich wollte, das Lowther- Chassis wäre ebenfalls unverändert geblieben. Denn leider ist der Quad nicht empfindlich. Und bei aller Begeisterung für seine Vorzüge klingt er ein wenig schlapp, untenrum mulmig, oben rum weggesoftet. Eben unempfindlich. Der Ausweg aus diesem Dilemma ist so einfach zu finden wie die Röhrentechnik: man muss in die Vergangenheit schauen. 9.4 Wie sie sind, was sie auszeichnet Die Antwort liegt in jener Ära, in der Radios Single-Ended mit einer EL84, EL 41 oder UL41 betrieben wurden und eine Leistung von vier bis fünf Watt hatten. Schalltechnisch gesehen werden diese Geräte mit gelochter Rückwand betrieben, das Funktionsprinzip ist das einer offenen Schallwand. Deshalb sind alle Chassis ungeeignet, die von 100Hz bis 1kHz weniger empfindlich sind; mit ihnen wäre bei der verfügbaren Leistung kein ausreichender Schalldruck zu erzielen; selbst dann nicht, wenn der Radio-typische Baßregler voll aufgezogen würde. Ob ein Chassis etwas taugt, ob es im gesamten Frequenzbereich empfindlich ist, läßt sich einfach genug feststellen. Der Beste, der aussagefähigste Test besteht darin, den bzw. die Schallwandler mindestens sechs Wochen lang auf einer offenen Schallwand zu hören. Ein Brett von 70 cm Breite und 100 cm Höhe genügt dazu; das (Haupt-) Chassis muss exzentrisch montiert werden. Dabei sollen auf gar keinen Fall frequenzgangkorrigierende Maßnahmen gebraucht werden. Also keine Notchfilter, keine Lautstärkeanpassung des Hochtöners, gar nichts. Alle Schallwandler, die bei diesem Test versagen, geben bestenfalls einen zweitklassigen Lautsprecher ab. Kleine Anmerkung aus meiner Praxis: Jeder neuere Lowther versagt, einen alten Supravox zum Beispiel kann man akzeptieren. Zurück zu den frühen Radiochassis. Sie haben außergewöhnlich viele Gemeinsamkeiten. Die Magnete sind aus Alnico. Ferritmagnete, international oft Keramikmagnet geheißen, wurden erst ab 1957 eingeführt. Verglichen mit manchem modernen Wandler sind die verwendeten Alnicos überraschend klein, die Höchstempfindlichkeit wird nicht über die Magneten erreicht, sondern auf anderen Wegen. Dahinter steht die Einsicht, die Renaud de Vergnette (von Triangle) wiederentdeckt und gemessen hat (L’Audiophile No.5, Juni / Juli 1989): Der Magnet ist ein Speicher für mechanische Schwingungen, rappelt beim Betrieb des Chassis und schafft parasitäre Resonanzen, die einer präzisen Schallwandlung nur schaden können. Das wußten die Konstrukteure der frühen Jahre und bauten dementsprechend kleine Magneten. Nebenbei bemerkt schafft einseitige Gigantomanie mehr Problem als sie löst; es sind die schrecklichen Simplifizierer, die so banal werkeln. Ein echtes Verständnis des elektrodynamischen Schallwandler konstruiert anders. Die LS-Körbe sind leicht, aus gestanztem Blech und -erst einmal eingebaut- überraschend resonanzarm. Auch dort spielt parasitäre Schwingungsenergie kaum eine Rolle. Über fünfzig Jahre später sollte der Flugzeughersteller Airbus in aufwendigen Forschungsreihen belegen, dass es schwingungstechnisch das beste ist, ein Blechteil gezielt in mehrere Partien zu zerlegen und dann mit möglichst wenig Verbindungspunkten zum Ganzen zusammenzufügen. Ein führender Hersteller der fünfziger Jahre hat so Lautsprecherkörbe gebaut!! Dies Beispiel zeigt stellvertretend für viele andere, mit welchem Können die damaligen Lautsprecher entstanden sind. Die Luftspalte sind extrem klein; heutige 20er Chassis haben typisch 4 mm und mehr, alte 1 mm. Bei Hochtönern habe ich schon 0.8 mm gemessen. Und in diesem einen Millimeter sind die Papiermembran und die darauf verklebte Spule untergebracht – ohne irgendwo anzustoßen! Solche phänomenalen Werte sind nur mit Präzisionsfertigung zu erreichen; diese Radiochassis stammen aus der Ära, in der geschickte Frauenhände (die heute als unnutzer Kostenfaktor gelten) die Montage ausführten. Die Papiermembranen schließlich weisen uns die Grenzen. Sie sind heute nicht mehr herstellbar. Wie so manches andere; jahrhundertealte Stradivaris können wir genauso wenig duplizieren wie jahrzehntealte Röhren, mit all unserer Hochtechnologie schaffen wir weder so gute Geigen noch so gute Röhren, so gute Papiermembrane auch nicht. Dass das so ist, haben die Elektrogitarristen gleichermaßen festgestellt: Der Klang eines Jensen P12Q aus den fünfziger Jahren ist mit heutigen Gitarrenchassis nicht erreichbar (Fachblatt Musikmagazin 6/97). Wir stehen nicht allein, wenn wir die fabelhaften Eigenschaften alter Schallwandler konstatieren, wir reihen uns vielmehr unter all jene ein, die das vor uns bereits herausgefunden haben. 9.5 Unbekannte Qualitäten Qualität wird erst möglich durch die Optimierung vieler Faktoren, vor allem derjenigen, die mehr erahnt als wissenschaftlich - technisch erfaßt werden. Frederik Forsyth bringt es auf den Punkt: "In matters of technical skill there are four levels - competent, very good, brilliant and a natural" (The fist of God). Von der Arbeit solcher Naturtalente sprechen wir, wenn es um Radiochassis geht. Es ist nicht zufällig, dass unter Kennern die Röhren dieser Ära denselben legendären Ruf genießen. Und das hat nichts mit Nostalgie zu tun, es ist vielmehr der ultimate Trip für Perfektionisten. Jeder, der mal mit einer chinesischen 2A3 oder 300B begonnen hat und danach zu einer RCA monoplate oder alten WE300B aufgestiegen ist, weiß Bescheid; bei aller Preiswürdigkeit der Nachbauten steht fest, dass sie die Originale nicht erreichen. Diesen Test kann man auch bei Lautsprechern machen, mit denselben Ergebnissen: die alten sind die besseren. 20er Radio-Chassis haben in der Regel keinen zweiten inneren Konus. Dementsprechend reicht der Frequenzgang bis 10 KHz, was einen zusätzlichen Schallwandler für höhere Frequenzen erforderlich macht. Diese Zusatzchassis, zwei Stück, mit einem Kondensator abgetrennt (und damit elektrisch vor Zerstörung geschützt), setzen bei 7 KHz ein. Es handelt sich also um eine (in heutiger Sprache) anderthalb - Wege - Konzeption, die einen Breitbänder mit einem Superhochtöner kombiniert und sich durch das Fehlen einer normalen Frequenzweiche auszeichnet. Das ganze wird in ein 40 bis 50 l großes Gehäuse eingebaut, aus sehr dünnem Birkensperrholz mit mindestens 7 Lagen. Wem das suspekt erscheint, sollte sich zunächst mit einer Sperrholzkiste vom Baumarkt oder IKEA behelfen. Denn Tischlermeister, die solch ein Material führen und ordentlich verarbeiten können und obendrein solch einen Auftrag annehmen, sind im Heimwerkerland sehr rar geworden. Das Gehäuse wird ventiliert über ein Baßreflexrohr und mit akustischem Schaumstoff bedämpft. Bei der heute bevorzugten Gigantonomie ist dies ein ungewöhnliches Konzept, doch in den Funkschauen und Firmenunterlagen der 50er Jahre, den alten Radios und Gitarrenverstärker wurden ungedämpfte, dünne Wände verwendet, weil die Gesetze der Akustik auch damals schon galten. Drei Lautsprecherklassiker haben dieses Konzept bis in die 80er Jahre gerettet und wurden deshalb von den Kritikern der deutschen Fachpresse buchstäblich "in die Zange genommen". Doch während die Kritiker von einst längst vergessen sind, werden diese Lautsprecher mit 12 mm Seitenwänden noch immer gesucht: Spendor BC1A, Spendor 75/1 und der BBC LS3/5A. Im übrigen schaffen es Flugzeugbauer, die brüllend lauten Triebwerke im innerem des Flugzeuges auf Autoniveau zu dämpfen, obwohl sich dicke Wände oder die beliebten, schweren Antidröhnmatten selbstredend verbieten. Aber die Herren Akustiker reden ja auch nicht von Steifigkeit der Wände, sondern von Transmissionsverlusten, was der physikalischen Wahrheit sehr viel näher kommt. Rundfunkchassis bestechen durch eine hinreißende Dynamik und mikroskopische Feinzeichnung; Ausgewogenheit und Homogenität sind kein Thema, von beidem gibt es mehr als anderswo; Natürlichkeit und Plastizität verleihen ein einzigartiges Gefühl von Lebensnähe; menschliche Stimmen schließlich, dass Maß der Dinge in den Mitten, kennt niemand in der Wiedergabe, solange er nicht einen mit diesen Chassis gebauten Lautsprecher gehört hat. In einer Zeit, in der Freaks allmählich herausfinden, dass Radiosammler die EL84 aus den Goldenen Jahren längst aufgekauft haben, denn es gab und gibt keine besseren, sollte man sich damit beeilen zu entdecken, dass die "goldenen" Radiochassis ebenfalls die besten waren. Und sind. Noch ist es erst fünf vor Zwölf. Es könnte aber leicht möglich sein, dass ein solches Gerät sehr viel besser ist als die vorgeschalteten Komponenten, die unheimlich gekostet haben, und dass es diese Komponenten gnadenlos als Blender entlarvt, obwohl sie von - angeblich - renommiertesten Entwicklern stammen. Also Vorsicht! Wir sprechen hier über die besten jemals gebauten Schallwandler, über jene Originale, zu denen nichts Vergleichbares existiert. Und die es nie wieder geben wird. Doch zum fertigen Lautsprecher ist es naturgemäß ein Stück Weges. Jedem, der unbedingt selber bauen will und der noch keine eingehende Erfahrung mit Hochempfindlichen hat, möchte ich dringend anraten, mit der offenen Schallwand zu beginnen und sich dann Schritt für Schritt voranzutasten. 9.6 Alternativen? Wir werden immer wieder gefragt, ob es denn gar keine heutigen Lautsprecher mit diesen Qualitäten gäbe. Die Frage ist berechtigt, schließlich sind alte Rundfunkchassis nicht leicht zu bekommen. Und es werden immer wieder dieselben Namen genannt. Da ist zum einen Supravox. Den originalen gibt es nicht mehr, oder gerade schon wieder, oder jemand hat gehört, er solle demnächst neu aufgelegt werden, nur weiß keiner, wo er denn zu bekommen sein wird - es ist eine traurige Geschichte, die dieses Chassis keineswegs verdient hat. Um die Verwirrung komplett zu machen, wurde er mal mit, mal ohne Alnicomagnet geliefert. Ist denn der 17er Triangle ist kein Ausweg? Leider nein, wie Messungen von Klang & Ton zeigen (No.4, 1993); unterhalb von 1 khz fällt er auf unter 85 dB ab. Er teilt diese Schwäche mit den japanischen Fostex-Chassis, die sinnigerweise mit denselben backloaded Hornkonzeptionen vorgestellt werden, die wir vom Lowther kennen, denn sie benötigen diese genauso verzweifelt wie die Lowther. Alle diese Geräte eignen sich leider kaum, eine Brücke zu alten Konzeptionen zu schlagen. Bleibt der PHYP zu erwähnen. Innerhalb der heute gefertigten Breitbänder gehört er zu denjenigen, die eine sehr sorgfältig gefertigte Papiermembran haben. So ist es doppelt schade, dass er einen dicken Magneten und einen mächtigen Korb verwendet, der angeblich aus Glockengußbronze (?!) sein soll. Verglichen mit alten Radiochassis fehlt dem PHYP der passende Superhochtöner, und ohne diesen ist der Frequenzverlauf obenrum zu eingeschränkt. Außerdem fällt in einem offenen Gehäuse unterhalb von 200 Hz der Pegel mit 12 dB pro Oktave ab – das sage nicht ich, das sagen die Gesetze der Akustik. Leider wird der Preis der Angelegenheit die so wünschenswerte Verbreitung etwas behindern. Vergleicht man die von uns favorisierten alten Radiochassis mit dem PHYP, egal in welchem Gehäuse er spielt, kann man vorzüglich hören, durch welche Qualitäten die Originale sich auszeichnen. Einsteigern empfehlen wir deswegen ein anderes, viel zu wenig bekanntes Chassis, den Beyma 8AG/N. Dieser 20er ist bei Profimusikern beliebt – zurecht. Er ist ein Vollbereichswandler mit zweitem inneren Konus, ausgestattet mit einem Blechkorb, der wie bei alten Radios für die Montage von innen ausgelegt ist. Der Keramikmagnet fällt angesichts des günstigen Preises nicht hemmend ins Gewicht. Extrabonus des Beyma ist seine Robustheit, wie sie Profimusiker schlichtweg verlangen. Dazu sollte man sich ein handelsübliches Gehäuse aus möglichst dünnem MDF kaufen oder von einer Tischlerei, die auf Lautsprechergehäuse spezialisiert ist, bauen lassen. Entsprechende Adressen findet man in den deutschen Magazinen für Lautsprecherbauer. Insgesamt ergibt sich so eine erfreuliche Einsteigerdroge in die Welt der empfindlichen Breitbänder. Wir ziehen sie allen anderen, vom HiFi-Handel angebotenen Alternativen vor. 9.7 Nachwort für Ungläubige Selbstverständlich übertreibe ich maßlos - das tut jeder im High End. Und niemand muss mir glauben. Hinwiederum: Bestimmte alte Röhren sind einzigartig, sie bleiben unerreicht. Bestimmte alte Schallplatten... - okay, das hat sich inzwischen rumgesprochen. Bestimmte alte Musikinstrumente...- na ja doch, bereits alle als Kapitalanlagen gesichert (Stradivaris werden auch zukünftig unerreicht bleiben). Bestimmte alte Chassis für E- Gitarren...- ja, ja, längst vollständig abgegriffen. In allen diesen Fällen geht es um Qualität, schiere, überwältigende, unerreichte Qualität. Wenn sich denn einer wundert, dann sollte er darüber staunen, dass ausgerechnet die Radiochassis unbeachtet geblieben sind. Eine marktwirtschaftliche Betrachtung zum Schluß. Als sich die Einsicht verbreitete, dass RCA 2A3 monoplates großartig sind, explodierten die Preise; diese Röhren sind inzwischen so gut wie nicht mehr erhältlich. Dem New Old Stock Handel, mit seinem zwischenzeitlich vorzüglich laufendem Geschäft nachgebauter alter Röhren zu Preisen alter Originale, ist es so recht, denn tausend alte Lautsprecher beanspruchen halt ein anderes Volumen im Lager als tausend alte Röhren aus Militärbeständen, die er sich vor Jahren für wenig Geld sichern konnte. Dem High - End - Handel ist es unbedingt recht, wenn Radiochassis unbeachtet bleiben, er kann dann in Ruhe von anderen Verkäufen leben. Mir ist es ebenfalls durchaus recht, wenn weiterhin nur wenige diese großartigen höchstempfindlichen Chassis suchen; ich kann dann diejenigen, die mich noch interessieren, leicht und gut auftreiben. Und so könnte eigentlich jeder zufrieden sein. - GW - ___________________________________________________________________________________________
Lieber Götz: Danke, dass ich diesen Bericht hier veröffentlichen durfte. Ich kann mir gut vorstellen, dass er den ein oder anderen inspiriert und einmal über seine Ansichten zur Musikwiedergabe im Generellen und über (historische) Breitbandchassis im Besonderen nachdenken lässt. Ach ja: Den im Artikel erwähnten Treiber von PHY HP habe ich seit einigen Jahren neben diversen historischen Chassis mehr als erfolgreich im Einsatz :-) Bis demnächst und viele Grüße, Michael Hier noch ein paar zugehörige Bilder aus dem Buch “Höchst Empfindlich”:
Musikalische Grüße, euer Michael
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