PL82 Concerto Grosso  

 

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Die Endstufe "PL82 CONCERTO GROSSO"

      

PL82 = 0,5 Watt Ausgangsleistung, Concerto grosso = italienisch für "großes Konzert"

Beide Bezeichnungen passen nicht zusammen? Ich bin der Meinung: Passt doch!

 

 

 

In einem Anflug von geistiger Umnachtung und frei nach dem Motto "Ich war jung und brauchte das Geld" hatte ich vor einiger Zeit meine "PL82 Solid Solution" Endstufe verkauft. Schon kurze Zeit später habe ich dies jedoch bitter bereut. So ging einige Zeit ins Land und der ein oder andere Verstärker bei mir hier ein und aus. Es waren sehr interessante Lösungen dabei aber nichts konnte mich an hocheffizienten Breitbandlautsprechern so überzeugen und berühren, wie die schöne PL82. Es wurde also langsam Zeit, sich wieder diesem Verstärker zu widmen. Dazu noch folgende, leider nicht ganz so schöne Einleitungsworte, die auch sinngemäß schon in meinem Bericht über die "PL82 Solid Solution" geschrieben wurden:

Die Schaltung, nach der diese Endstufe gebaut ist, stammt von Dr. Götz Wilimzig. Viele (ältere) Leser der Hifi - Publikation "Das Ohr" werden sich noch an ihn erinnern. Nachdem ich Götz kennen gelernt hatte und die PL82 hören durfte, war es für mich der größte Wunsch, eine solche Endstufe selber zu bauen. Götz hat mir darauf hin eine eigene, auf Basis der in dem schon längst zum Kult gewordenen Buch "Höchst Empfindlich" abgedruckten Schaltung entwickelt. Die Schaltung weicht in etlichen Punkten von der im Buch ab und gerade das Netzteil, welches eine Schlüsselfunktion für diese Endstufe einnimmt, wurde darauf hin abgestimmt. Leider möchte Götz Wilimzig nicht, dass seine für mich entwickelte Schaltung der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Ich respektiere seinen Wunsch aber es ist natürlich unschön, wenn ich euch Lesern die Nase mit einer für mich herausragenden Endstufe lang mache, welche nicht so ohne weiteres nachgebaut werden kann. Ich setze mich aber trotzdem der Gefahr aus, Mecker zu bekommen und hoffe, dass der man sich hier trotzdem die ein oder andere Inspiration zum Thema "Hochwertige Röhrenendstufen" holen kann.

Ok, los geht die Reise:

Eine Endstufe mit einer Ausgangsleistung von 0,5 Watt ist selbstverständlich auf "laute" Lautsprecher angewiesen. In meinem Fall sind dies aktuell die umwerfenden Breitbandchassis des viel zu früh verstorbenen PHY HP Machers Bernard Salabert aus Frankreich. Diese Chassis besitzen einen Wirkungsgrad von ca. 96 db pro Watt und Meter und durch Versuche mit meiner alten PL82 Solid Solution an diversen historischen und aktuellen wirkungsgradstarken Chassis wusste ich, dass die Leistung auch für den PHY HP H21 LB 15 SAG mehr als ausreichen wird. Die Schaltung basiert auf der Treiberröhre (Triode)  PC86 und der Leistungspentode PL82, welche hier im triodisierten Pentodenbetrieb arbeitet.

Nachdem ich mit Götz Wilimzig wegen meiner neuen PL82 mal wieder Kontakt aufgenommen und bezüglich der Ausgangsübertrager eine aktuelle Aussage von Ihm bekommen hatte, bestellte ich bei Reinhard Thöress ein Paar Sonderanfertigungen. Aufgrund von Zeitmangel hat die Lieferung jedoch einige Zeit vergehen lassen und während dieser konnte ich mich dann ganz entspannt an die restliche Teilebesorgung und an die ersten Fertigungsschritte machen.

 

Endlich da und eine der Schlüsselrollen: Von Reinhard Thöress handgefertigte Ausgangsübertrager für die "PL82 Concerto Grosso" mit Abgriffen für 4, 8 und 16 Ohm

 

Ensemble: PC86 und PL82 Röhren verschiedener Hersteller

 

Die ersten Arbeiten beginnen: Röhrenfassungen im Röhrenträger aus eloxiertem Aluminium

 

Alte, mechanisch perfekt gefertigte Keramiklötleisten mit versilberten Kontakten aus den 60iger Jahren

 

Für mich war dieses mal klar, dass ich ein Gehäuse aus Holz aufbauen und den Einsatz von Metall rund um die aktiven Bauteile einschränken wollte. Es ist oft erstaunlich, dass ein Probeaufbau einer Schaltung im Laborstadium besser spielen kann, als später im fertigen Metallgehäuse. Denis Neil Morecroft von DNM, welcher  bewiesen hat, dass ein fast metallloser Aufbau extrem gut funktionieren kann, hat es vorgemacht. Des Weiteren sollten meine Erkenntnisse von ME-Audiosysteme und den schon seit einigen Jahren und zu hunderten hergestellten Musicfeet in die Verstärkerkonzeption einfließen. Die meisten Netzteilkondensatoren wurden ihrer Kunststoffaußenhülle beraubt und schwimmend gelagert bzw. bedämpft in das Top Board der Endstufe eingelassen. Unterhalb dieses Top Boards befindet sich ein "Kabelkeller", in welchem alle Versorgungsleitungen unterhalb der Schaltungen verlaufen.

 

Top Board Grundaufbau: links der Netzteilpart, rechts der Audiopart

 

Alle Kondensatoren sind schwimmend gelagert und bedämpft vergossen

 

Kondensatoren über Kondensatoren: Das Netzteil hat ebenfalls eine Schlüsselfunktion bei diesem Verstärker

 

Die verwendeten Widerstände, welche teils aus aktueller wie auch aus historischer NOS (New old Stock) Ware bestehen, wurden, wie bei meiner ersten PL82, im Backofen vorgealtert und danach genauestens ausgemessen, selektiert und paar- bzw. Gruppenweise gematcht. Ob sich der ganze Aufwand loht? Keine Ahnung aber es gibt ein sicheres Gefühl für Qualität :-).

 

Ohne Hektik: Der Aufbau der Audioschaltung mit ausgemessenen und vorgealterten Bauteilen

 

 

Inbetriebsetzung: Die Spannungen werden nach und nach durch Einlegen der Feinsicherungen zugeschaltet und kontrolliert

 

Der fertige Audiopart

 

Nach 4 Tagen Dauerbetrieb mit Musik an Laborlautsprechern...

 

... folgt der erste Hörtest.

 

Nun war ich aber wirklich gespannt, ob mich der erste Höreindruck enttäuscht oder mir einen emotionalen Adrenalinschub versetzt. Hierbei muss man allerdings aufpassen, dass einem die ungezählten Fertigungsstunden und Liebe, die in so einem Projekt stecken, nicht einen psychologischen Streich spielen. Viel Aufwand bedeutet nicht immer viel Klang und ich habe über die letzten Jahre so einige Projekte mit hängenden Schultern in die Tonne treten müssen..

Aber gute Nachrichten für mich: Es war wirklich genau so oder eigentlich besser, wie ich es erhofft hatte: Der PHY HP Breitbänder in meinen "OB Classic" Schallwänden und die "PL82 Concerto Grosso" gehen eine exzellente Ehe ein: Feinheiten paaren sich mit Kraft und Geschwindigkeit. Man meint diesbezüglich schon fast, einem guten Hornsystem zu lauschen. Stimmen werden nun zu einem wahren Erlebnis. Eine involvierende Ganzheit zieht mich in den Bann und lässt gut aufgenommene Musik in meinem Hörraum entstehen, atmen und leben. Die Töne klingen lang und gleichmäßig aus und tragen so die Musik. Aufwand hin, Emotionen her: Das hat für mich WIRKLICH Gänsehautfaktor.

 

Ein paar Tage später konnte ich auch das bestellte Gehäuse bei der Tischlerei M58 abholen. Hier habe ich schon etliche Sachen fertigen lassen und wurde bisher von der Arbeit und der Qualität nie enttäuscht. Zu Hause angekommen, wurde noch das Lüftungsgitter in, sowie die zum Konzept gehörenden "Musicfeet" Gerätefüße unter dem Gehäuse montiert. Danach folgte direkt die "Hochzeit" und der aktive Teil wurde in das Gehäuse geschoben. Zum Schluss ist die Endstufe nun ca. 50cm breit, 24cm hoch, 40cm tief und 22 Kilogramm schwer.

 

Gehäuse in klassischem Stil der 60iger Jahre

 

Die "Musicfeet" an ihrem Arbeitsort

 

FERTIG! Die Front ist klassisch Schlicht und nur mit einem professionellen Ein/Ausschalter bestückt.

 

 

Die Rückansicht: Neutrik Profibuchsen und ein durchkontaktiertes Netzkabel

 

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Nun, nach einigen Tagen des entspannten Hörens möchte ich einmal versuchen, das hier erlebte anhand von ein paar Musikbeispielen in Worte zu fassen:

 

Friedrich Gulda`s "As you like it" : Der Titel: Blues für H.G." war das erste Lied, was ich vor einigen Jahren zusammen mit Götz Wilimzig bei seinem Musikfreund Uli Schwöppe in Recklinghausen  über eine PL82 gehört hatte. Schon damals war gerade bei diesem Stück klar, wie ein ordentlich aufgenommener Flügel zu klingen hat: Man hört den puren Stahl der Saiten und deren Ausklingen im großen Resonanzkörper. Klasse, wenn hier Johann Anton Rettenbacher mit seinem Bass rechts von Gulda einsetzt. Wenn Klaus Weiss dann ab der Mitte des Stückes sein Becken spielt, weiß man auch um die Qualität des Hochtonbereiches und der Plastizität der Abbildungsfähigkeit bescheid. Das swingt und macht an, dass es eine wahre Freude ist. Schön auf dieser Platte ist auch der unterschiedliche Ausdruck und die Klangfarben  eines Kontrabasses  im Vergleich zu einem E-Bass. Als analoge LP (Originale MPS Pressung) für mich immer wieder ein Erlebnis!

 

 

Elvis is back! Der 1960iger Klassiker von Elvis Presley und die erste Aufnahme nach seiner Armeezeit. Fever, oft als Teststück bei Hifi Vorführungen "Missbraucht", klingt hier nun sehr intim und obendrein dynamisch. Das Fingerschnippen, seine ausdrucksstarke Stimme, der treibend gespielte Bass und die kurzen und knackigen Schlagzeugeinsätze machen mächtig an. Auch die meisten anderen Titel machen sehr viel Spaß und gehen unter die Haut. Hier ein schönes Video dazu, welches bei einem Konzert in 1974, also rund 14 Jahre später aufgenommen wurde.

 

 

Tingvall Trio, "Vägen": Das Tingvall Trio ist eines meiner momentanen Jazzfavoriten. Martin Tingvall am Flügel, Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass und Jürgen Spiegel am Schlagzeug. Nachdem ich vor einigen Tagen mal wieder auf einem Konzert vom TT war, und gerade auch die Stücke ihrer aktuellen LP/CD Vägen (der Weg) dort gespielt wurden, kann man immer nur staunen, wie diese 3 Jungs zusammen spielen und die Luft brennen lassen. Auf ihren gelungenen Aufnahmen kann man sehr schön hören, welche Dynamik und Spielwitz (der bei einem Livekonzert natürlich noch getoppt wird), rüber kommen. Stücke wie "Sevilla" oder "Tuc-Tuc Man" machen mir mit der PL82 als Treibsatz richtigen Spaß. Die leisen Parts kommen ebenso überzeugend sauber wie der schon fast brutale Einsatz von Martin Tingvall in Duellen mit den Herren Spiegel und Calvo. Ganz großes Kino in meinen Ohren und für mich immer wieder ein Musiknoppen (Gänsehaut) - Bringer! Hier ein schönes Video vom Titelstück "Vägen" beim Elbjazz Festival 2011

 

 

Oliver Nelson`s "The blues and the abstract thruth" ist eines der Jazzalben, das in keiner Sammlung fehlen sollte. Oliver Nelson, Eric Dolphy, Freddie Hubbard und George Barrow sind mit Saxophonen, Flöte und Trompete dabei, sich von Bill Evans am Klavier, Paul Chambers am Bass und Roy Haynes am Schlagzeug mal treiben und mal begleiten zu lassen. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1961 und wurden sehr schön eingefangen. Eine klare Darstellung der Akteure und saubere Wiedergabe auch an den Frequenzenden zeichnen diesen Tonträger aus. Das mir ebenfalls die Musik ausgezeichnet gefällt, versteht sich von selbst.

 

 

Wagners "Parsifal" in der abgebildeten LP-Box ist für mich ein überzeugendes Argument, irgend wann einmal zu versuchen, sich in Bayreuth auf dem grünen Hügel einzuschleichen. Ich habe einen waschechten Wagnerianer bei mir in der Verwandtschaft, der sich so ziemlich alles zum Thema Wagner anhört und angehört hat und er bestätigte mir, dass die Knappertsbusch Liveeinspielung von 1964 eine der wirklich Gelungenen ist. Es ist grandios, wenn zu Beginn des ersten Aufzuges die Regler des Mischpultes aufsteuern und man das Opernhaus in Bayreuth "atmen" hört. Hin und wieder gibt es ein hüsteln oder klappern aus den Reihen der Zuschauer und dann beginnt das Orchester aus dem tief liegenden und über das Bühnenbild indirekt strahlenden Orchestergraben heraus zu spielen. Klasse! Die Klangfarben und die Stimmen von zb. Parsifal (Jess Thomas), Gurnemanz (Hans Hotter) oder Kundry (Irene Dalis) sowie die sehr gut eingefangene Raumakustik können bei einer gut funktionierenden Anlage einen sehr tief in das Stück abtauchen lassen. Die PL82 schafft dies in Zusammenspiel mit dem PHY HP exemplarisch gut. Auch hier knickt die PL82 bei Dynamikattacken nicht ein.

 

 

Donald Fagen mit seinem Album "Morph the cat" ist mit dem gleichnamigen Titelstück schön dafür geeignet, fetzigen und drückenden Beat und gut produzierten Pop zu genießen. Der Spaßfaktor ist wirklich hoch und die PL82 geht selbst bei ordentlicher Lautstärke mit ihren 0,5 Watt nicht in die Knie und das Klangbild weicht oder dickt nicht auf. Erstaunlich, erstaunlich...

 

 

Die 1977er LP "THE DIALOGUE" von dem Schlagzeuger Takeshi Inomata ist nicht ohne Grund inzwischen ein gesuchtes Sammlerstück. Die Musikstücke spiegeln den Dialog zwischen Schlagzeug und verschiedenen Instrumenten, wie Bass, Percussion, Vibraphone, Flöte, Gitarre, Tenor Saxophon und Posaune wieder. Dazu ist bei jedem Stück die Aufstellung der Musiker mit ihren Instrumenten unterschiedlich und eine gute Kette sollte dies sehr plastisch herausarbeiten können. The Dialogue ist aber weit davon entfernt, eine schnöde Testplatte zu sein. Der Jazz ist hier exakt und zwischendurch auch mit Witz gespielt und die Qualität der Aufnahme (Audio Lab Record) zählt mit zu dem Besten, was ich kenne. Die PL82 reicht diese Musik absolut überzeugend an die Lautsprecher durch.

 

 

Zum Schluss noch Roger Waters "Amused to death"- Ein 3D Surrounderlebnis mit nur zwei Lautsprechern? Q-Sound sei Dank bietet dieses gesellschaftskritische Rockalbum eine erstaunliche Klangreise. Wer sie nicht kennt und Pink Floyd ein wenig nachtrauert, sollte sich die Scheibe gönnen. "Im Stück Perfect Sense Part1" wird links neben meinem Hörplatz gesprochen während auf Ohrhöhe rechts etwas später ein Klavier einsetzt. Die Bassdrum gibt einen klaren Takt vor. Dazu zieht dann noch ein Gewitter auf und irgendwann setz Roger Waters Stimme ganz klar abgegrenzt in der Mitte ein. Gruselig, spannend, und man scheint in eine andere Dimension zu gleiten. Selbst mit vielfach stärkeren Verstärkern hatte ich nie das Gefühl, so mitten dabei zu sein.

 

 

Ein schönes Schlussfoto: Telefunken PC86 und PL82 NOS-Röhren, welche nun aktuell in der PL82 Concerto Grosso ihren Dienst tun

 

 

Fazit: Ich habe es zwar geahnt aber ich meine es mit vollem Ernst: An hochempfindlichen Lautsprechern habe ich noch keine Endstufe hier in meinen vier Wänden gehabt, die so überzeugend spielt und sich keine Blöße gibt. Ich bin froh, die Arbeit an diesem hervorragenden Konzept wieder durch gestanden und erfolgreich beendet zu haben. Ich danke Dr. Götz Wilimzig für dieses Schaltungslayout und seiner Hilfe, sowie meiner lieben Frau Patricia und meinem Sohnemann Jan, die mich in den letzten Wochen  des Öfteren nur an meinem Arbeitsplatz und in Schwaden von Lötnebel badend angetroffen haben. Aber was soll ich sagen? Es hat sich gelohnt!

 

Musikalische Grüße,

euer Michael Methe